In puncto Klimaschutz muss sich auch der Gebäudesektor neu aufstellen: Im Jahr 2018 wurden 14 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland durch den Bau, die Nutzung und den Abriss von Gebäuden verursacht. Eine zukunftsweisende Antwort darauf bietet Green Building – der Begriff bezeichnet das nachhaltige Planen und Bauen. Welche Maßnahmen dies umfasst und wie die Zertifizierung von „grünen Gebäuden“ verläuft, haben wir in diesem Artikel zusammengefasst.
Laut Mercator-Stiftung könnte der weltweit durch Gebäude verursachte Energieverbrauch in den nächsten Jahrzehnten auf das Doppelte oder sogar Dreifache ansteigen. Viele Häuser sind nicht ausreichend isoliert und viele Heizungen laufen noch mit Öl oder Gas. Das betrifft in den meisten Fällen ältere Bestandsbauten. Auch wenn beispielsweise Altbauten ihren Charme haben – ihre Klimabilanz ist oft schlechter als die von Neubauten.
Damit bis 2050 ein nahezu vollständig klimaneutraler Gebäudestand erreicht werden kann, müssen Neubauten gemäß den Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) errichtet und bestehende Bauten saniert werden.
Eine Vorgabe ist die Erfüllung des erforderlichen Effizienzhaus-Grades. Das „Effizienzhaus“ ist ein Qualitätszeichen, das vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, der Deutschen Energieagentur und der KfW entwickelt wurde. Mit diesem Siegel sollen die Förderbedingungen für energieeffizienten Neubau und Sanierung vereinfacht werden.
Für Neubauten gilt aktuell der Effizienzhaus-Standard EH 55. Der Wert beziffert den jährlichen Primärenergiebedarf, den ein Haus im Vergleich zu einem Referenzhaus, das mit 100 Prozent die Mindestanforderungen des GEG erfüllt, höchstens haben darf. Das bedeutet, dass das ein Haus, das den Effizienzhaus-Standard EH 55 erfüllt, nur 55 Prozent der Primärenergie verbrauchen darf, die das Referenzhaus benötigt. Für Umbauten gilt seit 2024 der Standard EH 70.
Der geplante neue Standard EH 40, den die Bundesregierung für den Koalitionsvertrag vorsah, wurde auf Ende 2025 verschoben. Begründet wurde der Aufschub damit, dass Neubauten durch das GEG seit 2024 klimafreundlicher beheizt werden. Für die Baubranche bringt diese Entscheidung eine vorläufige Entlastung.
Wie energieeffizient ein Gebäude ist, können Mieter und Käufer unter anderem am Energieausweis ablesen. Damit lassen sich die zu erwartenden Energie- und Heizkosten besser überblicken.
Idealerweise soll beim Green Building der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes – von der Planung über den Bau und die Nutzung bis zum Abriss – so nachhaltig wie möglich gestaltet werden. Grundlegend dafür sind die drei Säulen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie und soziale Nachhaltigkeit.
Faktoren für den ökologischen Aspekt eines Gebäudes sind:
der ressourcenschonende Einsatz von Baumaterial
eine Verkleinerung der Fläche
eine Verringerung des Wasser- und Energieverbrauchs
Erhalt und Förderung der Biodiversität – beispielsweise durch die Entsiegelungen von Flächen, die Begrünung von Dächern und die Nutzung von Sonnenenergie zur Wärmeerzeugung
Ökonomische Faktoren sind:
Baukosten
potenzielle Folgekosten
Die soziale Nachhaltigkeit umfasst:
die Funktionalität des Gebäudes
die Bedürfnisse seiner Nutzer (zum Beispiel Bauen im Sinne der Barrierefreiheit)
seine ästhetische oder kulturelle Bedeutung
Nachhaltig konstruierte und genutzte Bausubstanz dient nicht nur künftigen Generationen. Sie trägt außerdem zur Werterhaltung und geringeren Betriebs- und Unterhaltungskosten bei. Dadurch steigt die Vermietungs- und Verkaufschance, während das Risiko für Leerstand sinkt.
Sichtbar werden Wertigkeit und Nachhaltigkeit anhand spezieller Zertifikate, die für Green Building national und international vergeben werden. Bekannte Zertifizierungssysteme sind unter anderem LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) aus Amerika, das britische BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method) und das Regelwerk des DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen). Letztere zeichnet seit 2009 anhand von bis zu 40 Kriterien nachhaltige Gebäude, Innenräume und Quartiere aus.
Diese Zertifikate ermöglichen einen nationalen und internationalen Vergleich der „grünen Gebäude“. Je nach Zertifizierungssystem wird aber auch auf nationale Vorgaben und Standards zurückgegriffen. Zertifiziert mit dem Verfahren der DGNB wurden beispielsweise das Gebäude des Hauptzollamts Hamburg, das Institutsgebäude der Technischen Universität Darmstadt und das in Berlin ansässige Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Die Ziele der Zertifizierungen sind klar: die Bewertung und Förderung von Green Building sowie die Erhöhung der Motivation zu mehr nachhaltigem Engagement in der Baubranche.
Zusätzlich zu den Zertifizierungen verleiht die DGNB Architekturpreise für die nachhaltigsten Gebäude. 2022 gewann das Hotel Wilmina in Berlin den Wettbewerb. Den Bauherren gelang beim Umbau des ehemaligen Frauengefängnisses die Nachverdichtung mit einem beispielhaft geringen CO2-Verbrauch. Parallel zum Umbau haben die Verantwortlichen die umliegenden Flächen entsiegelt und renaturiert.
Mit einem Preis ausgezeichnet wurden in den vergangenen Jahren Gebäude, deren Konzepte und Umsetzungen auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit basierten und durch besondere Innovationen auffielen. Häuser aus Holz, begrünte Dächer, durch Erdwärme betriebene Wandheizungen und sozialverträgliche Mieten waren nur einige der entscheidenden Faktoren, die die Jurys überzeugten.
Bauherren, die im Sinne des Green Building bauen wollen, müssen sich nicht zwangsläufig auf höhere Kosten einstellen: Eine Studie des Green Building Council Denmark konnte nachweisen, dass eine nachhaltige, klimafreundliche Bauweise kein Kostentreiber ist. Höhere Kosten entstehen laut der Studie vielmehr durch zusätzliche Vermarktungsmaßnahmen. Zudem lässt sich bei den Betriebskosten von „grünen Gebäuden“ eine geringere finanzielle Belastung beobachten: Sie sind auf lange Sicht nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell effizienter als konventionell entworfene Gebäude.