Das Bundeskabinett hat am 23.03.2020 den Gesetzesentwurf zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes beschlossen und damit ins Gesetzgebungsverfahren gebracht. Was ändert sich? Was müssen Verwalter jetzt wissen? ista hat nachgefragt: bei Thorsten Woldenga, Immobilienverwalter und zertifizierter Business-Coach/-Trainer.

ista:

Die WEG-Reform bringt einige Veränderungen mit sich, durch die einzelne Eigentümer bauliche Maßnahmen sehr viel einfacher als vorher durchsetzen können. Jetzt ist natürlich interessant, wie es dabei mit der Kostenverteilung aussieht. 

Thorsten Woldenga:

Die Maßnahmen, die in Zukunft tatsächlich so gut wie nicht mehr verhindert werden sollen, sind die sogenannten privilegierten baulichen Veränderungen. Damit sind folgende vier Maßnahmen gemeint: Barrierefreiheit, Elektromobilität, Einbruchschutz und die Optimierung der Telekommunikation. Die Kosten dieser privilegierten baulichen Veränderung trägt immer derjenige, der den Nutzen hat. 

ista:

Die Eigentümergemeinschaft kann diese Maßnahmen zwar nicht mehr verhindern, sie kann aber die Art und Weise der Umsetzung bestimmen, auch wenn diese dadurch eventuell teurer wird. Muss der Antragsteller die Kosten dennoch komplett tragen?

Thorsten Woldenga:

Klar, die Eigentümergemeinschaft kann zum Beispiel verlangen, dass ein Kabel unter Putz verlegt wird, das macht die Sache natürlich teurer. Die Kosten muss der Antragsteller aber dennoch tragen, wenn er eine Umsetzung möchte.

ista:

Hier stellt sich doch die Frage, ob ein einzelner Eigentümer unter diesen Umständen so einen Antrag stellt.

Thorsten Woldenga:

Sicher wird das auch dazu führen, dass sich der ein oder andere überlegt, ob er wirklich auf einer Maßnahme bestehen will. Es kann aber auch die Gemeinschaft beschließen, dass sie eine dieser baulichen Veränderungen durchführen will, ohne dass ein einzelner den Antrag stellen muss.

ista:

Alle baulichen Maßnahmen können künftig mit einer einfachen Mehrheit beschlossen werden. Müssen sich auch die Eigentümer an den Kosten beteiligen, die mit Nein gestimmt haben?

Thorsten Woldenga:

Hierbei gilt grundsätzlich: Wenn alle einen Vorteil haben, müssen auch alle zahlen. Das betrifft vor allem zwei Szenarien. Das eine ist die Anpassung an vergleichbare Anlagen in der Umgebung. Wenn beispielsweise alle Liegenschaften in der Umgebung Balkone haben und meine Eigentümergemeinschaft da jetzt nachzieht, dann wäre das eine Anpassung an vergleichbare Anlagen, durch die alle Wohnungen im Wert steigen, also alle einen Vorteil haben und zahlen müssen. Der zweite Punkt ist die Amortisation. Wenn alle in einem angemessenen Zeitraum von einer Maßnahme profitieren, weil sie sich amortisieren wird, dann haben sich auch alle an den Kosten zu beteiligen.

ista:

Bei baulichen Veränderungen, die nicht allen einen Vorteil bringen, wird es aber so sein, dass nur die zahlen, die mit Ja stimmen?

Thorsten Woldenga:

Darunter werden wahrscheinlich nur noch die wenigsten Maßnahmen fallen, aber ja. Und wenn nur wenige Eigentümer für Ja gestimmt haben  und es dadurch dann für den Einzelnen sehr teuer wird, kann es natürlich auch passieren, dass etwas doch nicht umgesetzt wird.

ista:

Was passiert, wenn ein Eigentümer erst dann neu hinzukommt, wenn die Maßnahme schon umgesetzt wurde, er aber auch davon profitieren will?

Thorsten Woldenga:

In diesem Fall gibt es die Möglichkeit der nachträglichen Teilhabe. Dabei kann er sich durch einen angemessenen Ausgleich noch nachträglich beteiligen und trägt dann natürlich auch die Folgekosten mit. Dieselbe Möglichkeit haben übrigens auch Eigentümer, die zuvor mit Nein gestimmt haben und es sich dann aber anders überlegen.

ista:

In den Fällen, in denen mehrere Eigentümer die Kosten gemeinsam tragen, geht die Kostenverteilung vermutlich nach den Miteigentumsanteilen, oder?

Thorsten Woldenga:

Wenn nicht anders vereinbart ja. Aber hier kommt`s: Nach dem neuen Gesetz kann die Eigentümergemeinschaft auch jede andere Verteilung beschließen. Die einzige Regel hierbei ist, dass niemand beteiligt werden darf, der gar nicht zahlen muss. So kann ganz individuell überlegt werden, was für jede Maßnahme eine sinnvolle Kostenverteilung wäre.

ista:

Das betrifft doch aber sicher nur die Kosten für neue bauliche Maßnahmen?

Thorsten Woldenga:

Nein. Die Wohnungseigentümer können künftig alle Kosten, ob laufende Kosten oder Instandsetzung nach einem eigenen Schlüssel verteilen, egal wie sehr dieser von der Verteilung nach Miteigentumsanteilen oder einer vorherigen Vereinbarung abweicht. Und egal, was sich da ausgedacht wird, es ist mit einfacher Mehrheit beschließbar.

ista:

Kommen wir von der Kostenverteilung zum Thema Abrechnung. Was ändert sich hier mit der WEG-Reform?

Thorsten Woldenga:

Weiterhin muss jedes Jahr eine Jahresabrechnung und ein Wirtschaftsplan erstellt werden. Darüber wird jedoch nicht mehr beschlossen, sondern nur noch über die Vorschüsse und Nachschüsse. Außerdem wird künftig im Gesetz stehen, dass der Jahresabrechnung ein Vermögensbericht hinzugefügt werden muss. Aber das haben die meisten professionellen Verwalter vermutlich ohnehin schon immer so gemacht.

ista:

Wenn es Eigentümergemeinschaften in Zukunft einfacher gemacht werden soll, bauliche Veränderungen umzusetzen, dann betrifft das natürlich auch häufig Mieter. Wie ist das denn: Müssen Mieter Baumaßnahmen einfach so akzeptieren?

Thorsten Woldenga:

Wichtig ist, dass man die Mieter über geplante Baumaßnahmen rechtzeitig informieren und bei Modernisierungsmaßnahmen sogar drei Monate vor Umsetzung ankündigen muss. Deswegen sollte die Eigentümergemeinschaft immer einen ausreichenden Vorlauf für die vermietenden Eigentümer einplanen.

ista:

Und wie sieht es mit den Kostenverteilung im Mietrecht aus?

Thorsten Woldenga:

Tatsächlich kann der Vermieter jetzt im Mietvertrag vereinbaren, dass der gleiche Kostenverteilungsschlüssel, den die Eigentümergemeinschaft beschlossen hat, auch für das Mietverhältnis gilt. Zur Erinnerung: Das kann jede Form der Verteilung sein und sie kann auch jeder Zeit geändert werden.

ista:

Können Mieter denn umgekehrt auch bauliche Veränderungen verlangen?

Thorsten Woldenga:

Ja und zwar genau die vier privilegierten baulichen Maßnahmen, von denen schon die Rede war, also Barrierefreiheit, Elektromobilität, Einbruchschutz und die Optimierung der Telekommunikation. Das wird nur noch in Ausnahmen abgelehnt werden können, unter Würdigung beiderseitiger Interessen. Der Vermieter kann aber eine Sicherheit von seinem Mieter verlangen, was dann vermutlich doch dazu führen kann, dass die Maßnahme nicht verlangt wird.

ista:

Damit sind wir am Ende unseres Interviews zur WEG-Reform. Haben wir noch etwas Wichtiges vergessen?

Thorsten Woldenga:

Auf eine Sache möchte ich tatsächlich noch hinweisen, die ganz interessant ist und das Thema Stellplätze betrifft. Bislang konnte Eigentum nur an Räumen bestehen und nicht an Flächen, für diese galt ein Sondernutzungsrecht, von dem die anderen ausgeschlossen waren. Das ändert sich nun. Klar abgegrenzte Flächen wie Stellplätze oder auch Gartenflächen können künftig wie Räume behandelt werden und können damit Sondereigentum einzelner Eigentümer sein.

ista:

Vielen Dank für das Gespräch!

Lesen Sie hier den ersten Teil.

Hier geht es zum zweiten Teil.

Thorsten Woldenga

Thorsten Woldenga

Immobilienverwalter und zertifizierter Business-Coach/-Trainer, geschäftsführender Gesellschafter der Engelhardt & Woldenga Immobilien GmbH, Landesvorsitzender Nord des Bundesfachverbandes der Immobilienverwalter (BVI) und Mitherausgeber des Praxishandbuchs „Moderne Wohnungseigentumsverwaltung“.

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